Alfred Frauenfeld

Frauenfeld

Hoher Besuch: Adolf Hitlers Chefpropagandist, Joseph Goebbels (l) vor einem Auftritt in Wien im September 1932. Rechts neben ihm Gauleiter Alfred Frauenfeld. (Foto ÖNB/Hirschler)

Alfred Frauenfeld war der Prototyp des NSDAP-Funktionärs: 1898 als ältester Sohn in eine alteingesessene Wiedner Familie hineingeboren – sein Großvater Eduard Frauenfeld sen. hatte neben der Elisabethkirche auch zahlreiche Wohnbauten im vierten Bezirk errichtet –, sog er als Schüler die hypernationalistische Propaganda des Ersten Weltkriegs auf und meldete sich nach seiner Matura 1916 freiwillig an die Front. Wie viele bürgerliche Familien empfanden auch die Frauenfelds die Niederlage der Mittelmächte 1918 als persönliches Desaster: Dem Niedergang eines großen Reiches folgte die eigene wirtschaftliche Talfahrt. Frauenfeld inskribierte an der Technischen Hochschule, absolvierte eine Lehre als Maurergehilfe, fand als solcher aber keine Arbeit und verdiente seinen Lebensunterhalt schließlich als Bankbeamter – ein Beruf, der ihm zuwider war. Politisch betätigte er sich zunächst in der Frontkämpfervereinigung (FKV), einer rechtsradikalen Veteranenorganisation, die stark antisemitisch und kaisertreu orientiert war. Frauenfeld sah in der FKV vor allem ein Instrument gegen den innig gehassten „Marxismus“ – die Sozialdemokratie, der er sowohl die Schuld für die Niederlage im Krieg als auch für das Platzen der eigenen Berufswünsche gab. Wenn er nicht an Aufmärschen teilnahm, schrieb der junge Mann Zeitungsartikel. Unter anderem veröffentlichte er eine ausführliche Abhandlung über Möglichkeiten der Marsbesiedelung in der wichtigsten christlichsozialen Zeitung, der Reichspost.

Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre begann ausgerechnet mit dem Zusammenbruch jener Bank, in der Frauenfeld arbeitete: der Bodencreditanstalt. Der Verlust seiner Arbeit im Jahr 1929 bedeutete für den 31-Jährigen eine weitere persönliche Demütigung. Es war ihm bereits unmöglich gewesen, an die Erfolge seiner Verwandtschaft anzuschließen, nun musste er jedoch fürchten, auch noch seine ohnehin nicht standesgemäße Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in der Gußhausstraße zu verlieren und auf der Straße zu landen.1

Es war daher kein Zufall, dass Frauenfeld sich in dieser Zeit politisch stark radikalisierte und sich einer Gruppe zuwandte, die er selbst bis dahin als „eine kleine Sekte fanatischer Anhänger unterster Volksschichten“ betrachtet hatte: der NSDAP. In der Partei Hitlers stieg Frauenfeld rasch zum Wiener Parteivorsitzenden („Gauleiter“) auf.2

Auf das Verbot der NSDAP 1933 folgte seine vorübergehende Internierung, anschließend setzte er sich im Mai 1934 nach Deutschland ab. Nach Kriegsbeginn 1939 diente er zunächst in der Wehrmacht und wurde im Herbst 1942 zum Chef der deutschen Verwaltung („Generalkommissär“) auf der besetzten Krim ernannt.3 In seiner Funktion trieb Frauenfeld die Germanisierungspolitik voran und wollte zu diesem Zweck deutschsprachige Südtiroler auf der Krim ansiedeln, wozu es aber infolge des Kriegsverlaufes nicht mehr kam. Nach 1945 musste Frauenfeld fürchten, in Österreich vor Gericht gestellt zu werden und ließ sich in Deutschland nieder. Tatsächlich wurde er in Wien 1947 in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt, blieb in seiner neuen Heimat jedoch unbehelligt. Bis zu seinem Tod 1977 machte Frauenfeld keinen Hehl daraus, ein überzeugter Nazi zu sein, und war in einschlägigen Kreisen aktiv.4

 

Florian Wenninger

  1. 1) Vgl. Alfred E. Frauenfeld, Und trage keine Reu‘. Vom Wiener Gauleiter zum Generalkommissar der Krim. Erinnerungen und Aufzeichnungen, Leoni 1978, 13, 64; Siehe außerdem die Polizeiliche Anhaltekostenvorschreibung nach Frauenfelds Inhaftierung 1934. Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR), Bundeskanzleramt (BKA), Inneres, Karton 5214b.
  2. 2) Vgl. Christiane Rothländer, Die Anfänge der Wiener SS, Wien–Köln 2012, 97f.
  3. 3) Vgl. Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt am Main 2003, 162.
  4. 4) Vgl. David F. Steele, Alfred E. Frauenfeld and the development of the Nazi Party in Vienna 1930–1933, phil. Diss., Minneapolis 1992; Robert Forczyk, Where the Iron Crosses Grow. The Crimea 1941–44, Oxford 2014, bes. 254f.; Frauenfeld, Und trage keine Reu‘. Wenig schmeichelhaft blieb Frauenfeld übrigens seinem Gesinnungsgenossen, dem General Edmund Glaise-Horstenau in Erinnerung, der ihn in seinem Tagebuch abschätzig einen „Fatzke“ nannte, vgl. Peter Broucek (Hg.), Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau, 2. erg. Aufl., Wien–Köln–Graz 2005, 137.

Die braune Wieden