„…seit je her die radikalsten Elemente“. Die Technische Hochschule als Nazi-Hochburg auf der Wieden

März 1931: Nachdem der ursprünglich aus Holz gebaute Informationsstand der sozialdemokratischen Studentenschaft mehrfach angegriffen und schließlich niedergebrannt wurde, stiftete die Metallergewerkschaft einen eigens konstruierten, feuerfesten Informationsstand aus Eisen, dessen Fundament aus Beton gegossen war. (Foto: ONB/VGA E 2/1315)

Die heutige Technische Universität war in der gesamten Zwischenkriegszeit ein Zentrum „brauner“ Aktivitäten auf der Wieden. Als erste österreichische Hochschule beschränkte die TH 1923 den Anteil jüdischer Studierender auf 10 %. Trotz ihrer offenkundigen Verfassungswidrigkeit blieb diese Regelung während der 1920er Jahre in Kraft. Rektorat und Professorenschaft taten auch sonst ihr Möglichstes, um jüdischen und linken Studierenden das Leben zu erschweren. So räumte das Rektorat ab 1924 der rechtsradikalen Deutschen Studentenschaft (DS) den Alleinvertretungsanspruch für alle Studierenden ein, obwohl ihr jüdische, sozialdemokratische oder kommunistische Studierende nicht angehören konnten. Sie mussten empfindliche Nachteile in Kauf nehmen, denn es war die DS, die nun auch für die Vergabe von Praktikumsplätzen zuständig war – und dabei ganz selbstverständlich ihre Mitglieder bevorzugte.1 Wer aber seine Pflichtpraktika nicht absolvierte, konnte das Studium nicht abschließen.

Der Fanatismus der „nationalen“ Studenten – zu denen auch die „christlichen“ gehörten – gipfelte seit den 1920er Jahren regelmäßig in schweren Krawallen. Jüdische und linke Studierende (oder diejenigen, die man aufgrund ihres Aussehens für solche hielt) wurden am Betreten der Hochschule gehindert, aus den Hörsälen geworfen und schwer misshandelt. Mehrfach musste die TH aufgrund solcher Ausschreitungen gesperrt werden. In anderen Fällen konnte der Lehrbetrieb nur unter Polizeischutz aufrechterhalten werden. Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten die Exzesse 1932/33: Im April 1932 riefen die NS-Studenten eine „judenreine Woche“ aus. Die Szenen, die sich im Verlauf dieser Aktion ereigneten, „spotten jeder Beschreibung“ wie die Arbeiter-Zeitung vermeldete: „Zwei Architekturstudentinnen wurden von der johlenden Meute vom dritten Stock des Hauptgebäudes in den Hof geschleift, geohrfeigt und dann durch die Aula weggeführt. Andern Studenten wurden die Kleider zerrissen, Schuhe und Socken ausgezogen und sie blutüberströmt aus der Aula hinausgeboxt. Dies alles spielte sich unter den Augen und unter tätiger Mithilfe akademischer Organe ab.“ 2 Statt den Opfern zu Hilfe zu kommen, hatte der „Ordnerdienst“ der Hochschule die Tore des Hauptgebäudes geschlossen, um sie an der Flucht zu hindern. Schon zwei Monate später wiederholten sich ähnliche Szenen.3 Als sich die Betroffenen mit der Bitte um Schutz vor den rechten Schlägern an das TH-Rektorat wandten, verwies man sie an den „Ordnerdienst“, der wiederum vornehmlich aus Funktionären der antisemitischen Deutschen Studentenschaft bestand. Nachdem niemand gegen die Gewalt einschritt, war die weitere Eskalation vorprogrammiert, die in Tränengasangriffen in Vorlesungen missliebiger Professoren ihren Höhepunkt erreichte.4 Erst nach der Errichtung der austrofaschistischen Diktatur gingen die Behörden entschiedener gegen diese Umtriebe vor. Die Nazis konnten nun nicht mehr öffentlich auftreten, entfalteten aber eine rege Untergrundaktivität. Weite Teile der Professorenschaft sympathisierten offen mit dem Nationalsozialismus.
Als 1938 die deutsche Wehrmacht Österreich besetzte, verlieh das Professorenkollegium am 13. 3. seiner „freudigen Genugtuung darüber Ausdruck, [dass] in Österreich der deutsche Volksgedanke zum vollen Durchbruch gelangt“ sei.5 Bereits am nächsten Tag wurden sämtliche jüdischen Professoren kurzerhand entlassen, obwohl es dafür noch keine gesetzliche Grundlage gab. Innerhalb weiterer zehn Tage wurden alle 500 MitarbeiterInnen der TH auf „politische Zuverlässigkeit“ und „rassische Würdigkeit“ überprüft. Eine weitere Säuberungswelle war die Folge. Die entsprechenden Pläne sowie Listen unliebsamer MitarbeiterInnen hatte man offenkundig schon länger in der Schublade gehabt.

  1. 1) Vgl. Arbeiter-Zeitung, 8. 5. 1931, 6.
  2. 2) Arbeiter-Zeitung, 26. 4. 1932.
  3. 3) Arbeiter-Zeitung, 4. 6. 1932.
  4. 4) Vgl. Juliane Mikoletzky, „Von jeher ein Hort starker nationaler Gesinnung“. Die Technische Hochschule in Wien und der Nationalsozialismus (des Universitätsarchives der Technischen Universität Wien 8), , Wien 2003, 15f.
  5. 5) Vgl. Juliane Mikoletzky, „Von jeher ein Hort starker nationaler Gesinnung“. Die Technische Hochschule in Wien und der Nationalsozialismus (des Universitätsarchives der Technischen Universität Wien 8), , Wien 2003, 17.

Die braune Wieden