Der Helfer Karl Motesiczky

Der Bankierssohn und Kommunist Karl Motesiczky lebte in der Operngasse. Er versteckte jüdische Verfolgte und versuchte ihnen zur Flucht in die Schweiz zu verhelfen, wurde an die Gestapo verraten, verhaftet und 1943 in Auschwitz ermordet. (Foto: www.motesiczky.org/biography)

Untergetauchte jüdische Verfolgte bei sich zu verstecken, war mit einem erheblichen persönlichen Risiko verbunden. Wer dabei erwischt wurde, musste mit der Einweisung in ein Konzentrationslager rechnen.

Aufgrund seiner Hilfe für Verfolgte wurde der Medizinstudent Karl Motesiczky im Oktober 1942 von der Gestapo verhaftet. Er war 1904 in eine wohlhabende protestantische Bankiersfamilie hineingeboren worden, seine Mutter Henriette Motesiczky galt nach den Nürnberger Gesetzen des NS-Regimes jedoch als Jüdin.1

Karl und seine 1906 geborene Schwester Marie-Louise Motesiczky galten daher nach NS-Kriterien als „Mischlinge I. Grades“. Nach seiner Matura war Karl Motesiczky in den 1920er- und 1930er-Jahren in der Weimarer Republik für die Kommunistische Partei aktiv gewesen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten floh er zunächst nach Österreich, verließ das Land wegen der Machtübernahme des Austrofaschismus aber bald wieder und lebte eine Zeitlang in Skandinavien, wo er sich unter anderem am Aufbau der sexualpolitischen Sexpol-Bewegung beteiligte. Im Jahr 1937 kehrte er schließlich nach Österreich zurück. Nach dem „Anschluss“ flohen seine Mutter und seine Schwester über die Niederlande nach Großbritannien, während Karl Motesiczky in Österreich blieb.2 Er wohnte zunächst am Brahmsplatz,3 später in der Operngasse4 und bemühte sich auf unterschiedliche Weise, verfolgten Mitmenschen zu helfen: Vor allem stellte er das Anwesen seiner Familie in Hinterbrühl Untergetauchten als Zuflucht zur Verfügung. Gemeinsam mit anderen versuchte er im September 1942 außerdem, zwei jüdischen Ehepaaren die Flucht in die Schweiz zu ermöglichen, was jedoch am Verrat eines Mittelsmannes an die Gestapo scheiterte. An der Grenze zur Schweiz in Feldkirch (Vorarlberg) wurden Flüchtlinge und Fluchthelfer verhaftet und nach Wien ins Gestapo-Hauptquartier im Hotel Metropol überstellt. Nach vorübergehender Freilassung wurde Motesiczky am 13. 10. 1942 erneut verhaftet und sein gesamtes Vermögen von der Gestapo beschlagnahmt.5 Im Februar 1943 erfolgte seine Deportation in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, wo er am 25. 6. desselben Jahres ermordet wurde.6 Als einem von bisher nur etwa 100 ÖsterreicherInnen wurde Karl Motesiczky 1980 von Israel posthum als Gerechter unter den Völkern geehrt.7  Selbige Auszeichnung wurde 1985 Christl Denner-Beran zuteil. Sie hatte 1942 der Wiednerin Edith Hahn eine falsche Identität verschafft, mit der sie untertauchen konnte.8

MATTHIAS KAMLEITNER

  1. 1) Vgl. Kniefacz, Karl Motesiczky. Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938, URL: http://gedenkbuch.univie.ac.at/index.php?person_single_id=13624 (9. 12. 2015).
  2. 2) Vgl. Christiane Rothländer, Karl Motesiczky 1904–1943. Eine biografische Rekonstruktion, Wien 2010, 7–8.
  3. 3) Vgl. Kniefacz, Karl Motesiczky. Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938, URL: http://gedenkbuch.univie.ac.at/index.php?person_single_id=13624 (9. 12. 2015).
  4. 4) Vgl. Kniefacz, Karl Motesiczky. Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938, URL: http://gedenkbuch.univie.ac.at/index.php?person_single_id=13624 (9. 12. 2015).
  5. 5) Vgl.Christiane Rothländer, Karl Motesiczky 1904–1943. Eine biografische Rekonstruktion, Wien 2010, 10, 308–309, 328–330.
  6. 6) Vgl. DÖW, Opfersuche, URL: http://www.doew.at (Eintrag Karl Wolfgang Franz Motesiczky, 2. 9. 2015).
  7. 7) Vgl. Christiane Rothländer, Karl Motesiczky 1904–1943. Eine biografische Rekonstruktion, Wien 2010, 339; Erika Weinzierl, Zu wenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung 1938-1945, Graz-Wien-Köln 1997, 243.
  8. 8) Vgl. Edith Hahn-Beer, Ich ging durchs Feuer und brannte nicht. Eine außergewöhnliche Lebens- und Liebesgeschichte, Wien 2001; vorletzte Abbildung Buchmitte; Erika Weinzierl, Zu wenig Gerechte, Österreicher und Judenverfolgung 1938-1945, Graz-Wien-Köln 1997, 157–159.

Deportation und Massenmord