Intervenieren und Kungeln: Die Arisierung des Kaffee Ernst als Beispiel für die NS-Freunderlwirtschaft

In diesem Gebäude in der Favoritenstraße 27a betrieb Hugo Ernst bis 1938 das Café Ernst, das sich auf Druck der Gestapo der illegale Nazi Josef Stark aneignete. (Foto: Tom Junkcker)

Im Jahr 1935 hatte Hugo Ernst das Kaffeehaus in der Favoritenstraße 27a gekauft, das etwa 80 bis 100 Personen Platz bot und seinen Namen – Kaffee Ernst – trug. Ernst war am 18. September 1895 geboren worden und wohnte mit seiner Frau Marie und seiner Tochter im selben Haus seines Kaffeebetriebs. Drei Jahre und einen Machtwechsel später weckte sein Kaffeehaus rasch Begehrlichkeiten, weil Ernst im Nationalsozialismus als Jude diskriminiert wurde. Bei der Vermögensverkehrsstelle wurde Josef Stark vorstellig, der vor dem „Anschluss“ nicht nur „illegaler“ Nationalsozialist gewesen war, sondern darüber hinaus über beste Kontakte zur neuen Politprominenz verfügte. Seine Kontakte zu Reichskommissar Bürckel waren zwar keine klassisch politischen – man kannte sich vom Hotel Meissl & Schadn, in dem Bürckel häufiger Gast und Stark Kellner gewesen war –, erwiesen sich aber als tragfähig genug, um sie nun finanziell zu verwerten. Josef Stark gelang es, seine Konkurrenten im Rennen um Hugo Ernsts Kaffeehaus auszustechen, indem er Empfehlungsschreiben von Bürckel und Vizebürgermeister Hanns Blaschke vorlegte. Am 20. Mai 1938 genehmigte die VVSt daraufhin die „Arisierung“ des Kaffee Ernst durch Josef Stark. 1 Ein Brief des ehemaligen Eigentümers Ernst aus der Zeit nach 1945 verdeutlicht, wie hilflos die ursprünglichen BesitzerInnen den „Arisierungen“ ausgesetzt gewesen waren: „Eines Tages erschien ein Rechtsanwalt, Dr. Georg Griesser, von der Gestapo in meinem Café und forderte mich auf, seinen Anordnungen Folge zu leisten. Während dieser Zeit zwang er mich, verschiedene Dokumente zu unterschreiben. Endlich am 9. Juni 38 erhielt ich einen Brief von Josef Froehlich, einem notorischen Nazi, damals Leiter des Schank-Gewerbes, mit der Aufforderung das Café an Josef Stark zu übergeben. Stark verlangte die sofortige Übergabe, da er ein altes illegales Mitglied der NSDAP sei. So mußte ich es tun, um mein Leben zu retten.“ 2

 

Jutta Fuchshuber

  1. 1) Vgl. ÖStA, AdR, EuRANG, VA 17646 und Gewerbe 1437; WStLA, 1.3.2.119.B4.1 – VEAV, 4. Bezirk, 659, Gauakt, A1 Gauakten, Personalakten des Gaues Wien, 122788, 2.7.1.4.A1 – Gauakten: Personalakten des Gaues Wien, 122788, M.Abt. 119, A42 NS-Registrierung, 3381.
  2. 2) WStLA, 1.3.2.119.B4.1 – VEAV, 4. Bezirk, 659.

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