Familie Mildwurm

Familie Mildwurm

Wieden, im März 1938. Umringt von Nazis und Schaulustigen müssen der 18-jährige Lehrling Robert Mildwurm (m), seine Mutter Henriette (r) und ein Unbekannter auf ihren Knien die Favoritenstraße schrubben. (Foto: DÖW)

Die Familie Mildwurm – Schneidermeisterin Henriette Mildwurm, ihr Mann, der Speditionsbeamte Julius Mildwurm und ihre fast gleichaltrigen Söhne Robert und Walter – lebt 1938 in einer Wohnung in der Großen Neugasse. Als Robert im Juli 1938 die IKG Wien um Unterstützung bei der Ausreise in die USA ersucht, verfügt er längst über kein geregeltes Einkommen mehr. Weil die Ausreiseansuchen nicht bewillig werden und die Zustände in Wien unerträglich sind, unternimmt Robert bald darauf einen Fluchtversuch in die Schweiz. Dort wird ihm aber kein Asyl gewährt, die Schweizer Behörden schicken ihn zurück nach Wien. Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wird Robert verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau eingewiesen, wo er für sieben Monate inhaftiert bleibt. Nach seiner Entlassung gelingt ihm über Großbritannien die Flucht nach San Francisco. Im April 1939 flüchten seine Eltern über Italien nach Shanghai. Mutter Henriette folgt ihrem Sohn später von dort in die USA,1 während Vater Julius den Zweiten Weltkrieg in Shanghai überlebt.2

Tragisch ist Walters Schicksal. Nach seiner Flucht in die Niederlande wird er dort von den deutschen Besatzern 1943 im Durchgangslager Westerbork interniert. Von dort deportiert man ihn im Jänner 1944 zuerst ins Ghetto Theresienstadt. Vier Monate später muss er von dort neuerlich „auf Transport“ gehen – diesmal nach Auschwitz. Walter gelingt es zunächst am Leben zu bleiben. Im Jänner 1945 erreichen er und zumindest ein weiterer Wiedner, der ehemalige sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete Paul Schlesinger, als Überlebende eines Todesmarsches das KZ Groß-Rosen. Während Paul Schlesinger dort am 10. Februar 1945 ermordet wird,3 transportiert man Walter weiter in das KZ Dachau. Nur sechs Wochen, bevor US-Truppen das Lager erreichen, wird Walter am 18. März 1945 in Dachau ermordet. 4

 

Matthias Kamleitner

  1. 1) Vgl. Safrian/Witek, Und keiner war dabei, 9–10; Archiv der IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2590, 155, AFB-Nr. 37788 und 48144 (Robert Mildwurm).
  2. 2) Vgl. Yad Vashem, Datenbank, URL: http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=de (Eintrag Walter Mildwurm, 25. 10. 2015).
  3. 3) Vgl. Yad Vashem Datenbank (Eintrag Paul Johannes Schlesinger, 11. 7. 2015).
  4. 4) Vgl. DÖW, Opfersuche, URL: http://www.doew.at (Eintrag Walter Mildwurm, 25. 10. 2015); Yad Vashem, Datenbank, URL: http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=de (mehrere Einträge zu Walter Mildwurm bzw. Meeltwurm, 25. 10. 2015).

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